„Afrikanische Anekdoten“
So oder so ähnlich soll irgendwann mal mein Buch heißen. Darin erzähle ich heitere Geschichten, die ich so in Afrika erleben durfte.
So oder so ähnlich soll irgendwann mal mein Buch heißen. Darin erzähle ich heitere Geschichten, die ich so in Afrika erleben durfte.
Sie glauben nicht, wie oft man sich als Mitteleuropäer diesen Satz in Afrika immer wieder aufsagen muss. Die „Zeit“ ist in Afrika etwas komplett anderes als bei uns. Sie spielt hier eine untergeordnete Rolle. Man achtet viel mehr auf ein gutes Gefühl, auf seinen Körper und auf den Spaßfaktor. Mit unserer Erziehung und der Einstellung „Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“ kommt man in den afrikanischen Kulturen nicht so richtig weit.
Ein gutes Beispiel für unterschiedliches Zeitempfinden drückt das Wort „now“ (engl. für „jetzt“) aus. „Now“ bedeutet im Afrikanischen „irgendwann, vielleicht, eventuell, ich überlege mal“. „Just now“ bedeutet übersetzt „in absehbarer Zeit“, ist dem spanischen „mañana“ sehr nahe, wird sehr gerne von Kellnern benutzt. „Right now“ kommt da unserem „zeitnah“ oder „sofort“ etwas näher, wird dann aber auch direkt ausgeführt.
Linkes Ufer, Südafrika. Der Fluss, schon lange trocken. Rechtes Ufer, Botswana. Nach der Erledigung der peniblen Ausreiseformalitäten Südafrikas und der minutenlangen Polizeikontrolle des Mietwagens rolle ich endlich das Ufer hinab und fahre durch das Flussbett auf das andere Ufer zu. Oben angekommen, sitzt ein älterer Herr in einem zerschlissenen Sessel und erwartet mich.
Es ist heiß. Sein Unterhemd müsste eigentlich mal wieder einer Reinigung unterzogen werden. Oder besser, er geht direkt selber in diesem Hemd mal wieder duschen. Als ich mit dem Wagen vor ihm anhalte, setzt er seine Grenzermütze auf, richtet seine Sonnenbrille und kommt samt Klemmbrett, das neben dem Sessel auf dem Boden lag, zu mir ans Auto. Ich grüße ihn freundlich und steige aus dem Wagen. Ein knappes „Hallo, die Papiere“ entweicht streng. Vom Kragenrand seines Unterhemds fallen die letzten Krümel des zweiten Frühstücks. So wie es aussieht, gab es Sandwich. Deutlich sichtbar, mit Mayo.
Ich versuche nach dem Klemmbrett zu greifen, um den Grenzübertrittsfragebogen deutlich lesbar auszufüllen. So, wie ich es gelernt habe. Ordentlich halt. Und wahrheitsgetreu. Doch er greift nach meinem Pass und den PKW-Papieren, nimmt diese mit sich in seine Hütte und setzt sich an seinen gedeckten Mittagstisch. Die Warmhaltekanne und die Tüte mit den Lebensmitteln schiebt er vorsichtig beiseite. Er fängt an zu schreiben. Nach ein paar Minuten und einer ausführlichen Kontrolle des Ausgefüllten kommt er zu mir zurück. „Wann verlässt Du Botswana wieder?“ fragt er. „In zwei Tagen“ antworte ich freundlich. „Wieder hier an meiner Grenze?“ kommt knapp als Frage auf. Ich nicke deutlich. Ein letzter Eintrag ins Formular. Er reicht es mir dann mit der Bemerkung, ich solle auf der untersten Zeile unterschreiben. Den Stift hält er mir hin. Ich studiere das Klemmbrett, lächle ihn an und unterschreibe kurz mit „OTTO“.
Sie müssen wissen, Otto ist mein zweiter Vorname und eingetragen in meinem Pass. Auf dem Formblatt fand ich als Antwort eingetragen:
Name: OTTO
Vorname: OTTO
Reisepassnummer: OTTO
Geburtsdatum: OTTO
Wohnort: OTTO
Land: OTTO
Kfz-Kennzeichen: OTTO
Grund der Reise nach Botswana: OTTO
Nur das Tagesdatum und das Wiederausreisedatum waren korrekt eingetragen.
Er lächelt zurück und meint „Wir sehen uns dann in zwei Tagen, OTTO. Hab einen schönen Aufenthalt in Botswana.“ Dann schlurft er zum Sessel zurück, stellt den noch ein bisschen mehr in den Schatten, legt das Klemmbrett auf den staubigen Boden, nimmt die Mütze ab und schiebt die Sonnenbrille hoch ins fettige Haar. Der Sessel quietscht laut, als ich die staubige Piste Richtung Norden entlangfahre.